Ein Wirtschaftsausflug: Call-Center, Zeitarbeit, Staat und wer hier von wem profitiert




Am 15.10. habe ich einen Bericht über Günter Wallraffs Undercover-Einsatz als Call-Center-Agent bei den Unternehmen CallOn und ZIU-International eingestellt. Nicht nur die Vorgehensweisen, sondern auch damit verknüpfte Auswirkungen und Gegebenheiten spiegeln ein mittlerweile normales Bild unseres Wirtschaftskreislaufs.

Nebst meinen ganz eigenen Erfahrungen mit Call-Centern, Zeitarbeit & Co. bin ich heute auf einen Bericht von Presse-Service.de mit dem Titel „Ordnungsamt: Wirte sollen sich nicht abzocken lassen“ aufmerksam geworden. Die hier beschriebene Masche deckt sich mit Wallraffs Undercover-Einsatz. Für mich ein guter Grund, um den Bericht nochmals zu analysieren und einige Gedanken und Fakten festzuhalten:

  • Das Unternehmen CallOn ruft Sie unter anderem für ein Gewinnspiel von „McCrazy“ an. Ganze fünf Mal wurde mir unter diesem Vorwand versucht, ein Lotterielos unterzuschieben. Wallraff berichtet darüber, dass sich die Mitarbeiter häufig ein „Pseudonym“ ausdenken; Kein Wunder, dass ich Herrn Schulze nicht erreichen konnte.
  • Das Unternehmen ZIU-International verkauft das „Jugendschutzgesetz“ an Gastwirte, vorzugsweise an ausländische Gastwirte, da hier die Masche „Ordnungsamt“ sehr gut zieht. Das haben jetzt wohl auch andere „Telekommunikationsdienstleister“ herausgefunden.

Das Call-Center an sich ist eine Geldmaschine, egal um welches Produkt es geht (und es gibt viele). Der Mitarbeiter (Call-Center-Agent) finanziert sich seinen Arbeitsplatz selbst durch die Verkäufe; Die Rechnung geht auf, die Branche boomt und der Staat freut sich über weniger Arbeitslose.

Genau darin liegt ein weiteres Problem, welches Wallraff schon angedeutet hat; Wer als Arbeitssuchender einen angebotenen Arbeitsplatz ablehnt, muss mit sensiblen Sanktionen rechnen (Kürzung oder Ausschluss der „Versicherungsleistung“ Arbeitslosengeld). Das wissen die Call-Center-Betreiber auch und können entsprechend im Sinne des eigenen Unternehmens reagieren, mit dem Staat als rechtlicher Stütze.

Das betrifft nicht nur die Branche Call-Center, sondern viele Unternehmen, die ihren Gewinn durch den Einsatz von „willigen?“ Mitarbeitern erzielen. Das Prinzip Geben und Nehmen sollte die Grundlage sein, nur das Verhältnis ist längst nicht mehr sozial (War da mal was von wegen „Die Armen werden immer ärmer und die Reichen werden immer reicher.“?).

Könnte man denn grundsätzlich sagen, dass etwas nicht stimmt?

Als ehemaliger Disponent eines Zeitarbeitsunternehmens, musste ich mich schnell von dem Gedanken trennen, andere dabei zu unterstützen, eine Anstellung zu finden (Wie konnte ich nur?).

Der Kurs war schnell klar: Personal günstig einstellen und gewinnbringend an Kunden verkaufen. Je höher die Differenz, desto besser hat das Unternehmen verdient und nicht etwa der Arbeitnehmer, der ja „laufen“ muss. Und wenn sich jemand weigerte, für € 6,01 /Std. zu arbeiten? „Drohen Sie Ihm mit Sanktionen vom Arbeitsamt, das ist so üblich in der Branche“.

Mein Chef hatte nach eigener Aussage „keine Ahnung“ von der Zeitarbeit, nur Startkapital… das reichte vollkommen aus. Das gesamte System „Zeitarbeit“ ist genau so wie jede andere Branche darauf bedacht, Gewinne zu erzielen und Geld zu verdienen; Es funktioniert!

Wie sozial kann man da noch sein und warum ist die Zeitarbeit eine der führenden Branchen in Deutschland? Die Antworten dafür liegen klar auf der Hand, nur die Frage, warum nichts und vor allem was nicht geschieht, bleibt mal wieder auf der Strecke, oder welche Lobby setzt sich diesmal für „keine“ Veränderung ein?